Florenz, September 76
1976
Die Erinnerung sagt mir, dass für mich immer die Steine in Florenz wichtig waren, das Material, aus dem die Stadt gemacht ist, das man (noch unbedeckt von Asphalt) unter den Füßen merkt, wenn man die Stadt durchläuft, das, zubereitet von Hand, seinen Charakter, seine Würde, seine Wärme, sein Alter offenbart. Das Steinpflaster ist das Kennzeichen von Stadtkultur, von urbaner Geschichte. Es stellt die Basis dessen dar, was hier bewirkt worden ist, was hier nachwirkt. Bei meinem diesmaligen Aufenthalt in Florenz habe ich versucht, Kontakt-Zeichnungen des Bodens, der Steine, zu machen, Zeichnungen, die registrieren, was ich als Impuls einer Stelle empfand. Diese Zeichnungen sind unaufwendig in Material und Größe: handflächengroße zerknitterte Papiere mit Graphitauftragungen. Ich habe sie nicht beim Entstehen auf Bildwirkungen hin kontrolliert: sie mit geschlossenen Augen ertastet. Es sind jedoch nicht Frottagen, die eine Oberflächenstruktur jeweils genau wiedergeben: an ein und derselben Stelle sind jeweils mehrere, manchmal viele Zeichnungen nacheinander entstanden. Ihre Abfolge zeigt einen Wechsel und Übergang, der möglicherweise Aufschluss gibt über das, was sich ansehen lässt als unmittelbare Wirkung, als Auswirkung einer Stelle. Als Bildresultat bringen die Blätter etwas vor Augen, das konträr ist zu den Bildmustern, deren Kulmination man in Florenz erfährt. Durchgehende Kräfte, Bewegung, Fluss, Brennpunkte, Staub.
(Auszug aus dem Vorwort zum Katalog: Dietrich Helms, Florenz September 1976, Produzentengalerie Grasweg, Hamburg 1978)